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Projektleiterin LIFT, Diakonie Mitteldeutschland

Lysan Escher

Wie sind Sie zu ihrem Beruf gekommen?

Nach meinem Erziehungsjahr habe ich mich auf dem Arbeitsmarkt umgeschaut, was es alles so gibt und mich dann auf dieses Projekt beworben. Qualifizierung von Führungskräften ist ein spannendes Thema für mich. Ich habe selbst jahrelang als Führungskraft in einer sozialen Einrichtung gearbeitet. Für mich ist das ein Thema, das ich für ausbaufähig halte. Wenn man Karriere macht, hat man neben dem fachlichen Know-how immer auch Führungsverantwortung und das ist etwas, das man, soweit ich das weiß, in den meisten Studiengängen immer noch nicht lernt.

Was finden Sie gut an ihrem Beruf und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Ich habe eine Tätigkeit, die mir total Spaß macht. Ich mache zum ersten Mal auch wirklich das, was ich studiert habe, nämlich Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung. Ich bin konzeptionell, inhaltlich und finanziell verantwortlich, hab aber auch zu gewissen Teilen die Freiheit zu sagen, zu dem ein oder anderen Thema, wo ich selber die inhaltlichen Kompetenzen hab, kann ich auch selber als Trainerin arbeiten. Ich habe viele Freiheiten im Rahmen meiner Tätigkeit. Ich bin relativ flexibel in meiner Arbeitszeit, was sehr gut für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist.

Ich würde mir wünschen, dass es mehr Sensibilität für dieses Thema gibt. Also, dass es total wichtig ist die Menschen nicht nur inhaltlich zu qualifizieren, sondern auch im sozialen Kompetenzbereich. Führung betrifft auch die zwischenmenschliche Ebene und ich glaube, das wird gerade auch im sozialen Bereich noch stark unterschätzt und dass gerade auch solche zwischenmenschlichen Beziehungen dazu beitragen, ob ein Unternehmen funktioniert oder nicht.

Glauben Sie, dass man Sozialkompetenzen erlernen kann?

Ja, klar. Jederzeit.

Worum genau geht es bei dem LIFT Projekt der Diakonie Mitteldeutschland?

Es geht darum, dass sich Frauen in Führungspositionen, die in der Sozialwirtschaft tätig sind, über ein Jahr berufsbegleitend im Bereich Führung professionalisieren. Das ist eine einjährige berufsbegleitende Weiterbildung. Es geht darum sich mit dem eigenen Führungsstil auseinanderzusetzen und noch mal neue Kommunikationsmodelle kennenzulernen, im Bereich Konflikte zu schulen, Rechtsfragen und eben alles, was mit Führung zu tun hat. Es gibt den Spruch „Einsame Spitze“. Je weiter man oben ist, desto weniger Menschen hat man um einen herum, die einem Feedback auf der gleichen Augenhöhe geben können. Die Idee ist auch, dass die Frauen, die ja in ähnlichen Positionen sind und ähnliche Themen und Probleme haben, sich im Rahmen des Seminars austauschen und gegenseitig beraten und unterstützen können.

Können Sie mir einen typischen Arbeitstag beschreiben?

Grundsätzlich sind alle Tage anders. Zwischen 8 und 9 Uhr komme ich ins Büro. Dann muss ich E-Mails beantworten, habe Sitzungen mit meinen Kollegen, Vorbereitung von Seminaren, konzeptionelles Arbeiten, Besprechungen mit Referentinnen, auch viele Controlling- und Abrechnungsgeschichten. Ich schreibe extrem viele Honorarverträge mit ganz vielen Referenten/Referentinnen und Coaches/Coachinnen.

Welche Zusatzqualifikationen erachten Sie für Erziehungswissenschaftler als  unerlässlich?

Wenn man einen Hochschulabschluss hat, fängt man oft auch schon in einer Führungsposition an und ich weiß noch, dass mir da Konzepte gefehlt haben. Also wäre es gut, sich schon mal damit zu beschäftigen. Und was mich damals noch sehr beschäftigt hat, waren die Finanzen. Ich war schnell in der Situation, Finanzpläne zum einen verstehen, aber auch gleich welche entwickeln zu müssen, weil Bildung ja oft auch projektfinanziert ist und jedes Projekt hat auch einen Finanzplan. Der muss erstellt werden. Also wie bilde ich meine Inhalte finanziell ab und wie rechne ich das Ganze ab?

Und wie haben Sie diese Lücke überbrückt?

Tatsächlich „learning by doing“. Ich hatte ein gutes mentoring. Ich hatte damals einen Kollegen, der mir die Sachen übergeben hat und mir da auch noch viel beigebracht hat.

Wäre es hinderlich, wenn sich jemand bei ihnen mit einem Abschluss 90/90 bewerben würde?

Dazu müssen Sie mir jetzt erklären, was ein Abschluss 90/90 ist.

Erziehungswissenschaften kann man ja auch als ein Hauptfach  studieren, zu dem man dann noch ein anderes Hauptfach dazu nehmen muss, z. B. Soziologie und Erziehungswissenschaften

Das waren früher Magisterstudiengänge. Es ist schwierig diese Frage pauschal zu beantworten, weil jeder Job ein eigenes Anforderungsprofil hat und es muss halt möglichst gut zu dem Bewerber oder der Bewerberin passen. Grundsätzlich meine ich, dass es immer gut ist breit aufgestellt zu sein. Ich finde, man kann das nicht miteinander vergleichen. Für manche Dinge ist es gut, ein bestimmtes Fachwissen zu haben, aber für manche Dinge ist es auch wichtig, ein relativ breites Wissen zu haben. Und das, was man letztendlich konkret in seinem Job macht, muss man sich eh laut Jobprofil aneignen. Ich glaube nicht, dass man in den Job startet und alles schon kann, was es da an Aufgaben und Anforderungen gibt.

Ich glaube, dass es auch schon während dem Studium Sinn macht, sich die Arbeit in der Praxis in Form von Praktika anzuschauen, weil, wenn ich Bewerbungsunterlagen anschaue,  schaue ich vielleicht auch nach der Note, aber grundsätzlich schaue  ich eher auf das Profil der Person und sehe  natürlich auf die Schwerpunkte im Studium, aber eben auch, darauf: was hat sie nebenbei noch gemacht? Das kann auch ein Job oder ein Ehrenamt sein.

Also ist es auch egal, ob man einen Bachelor oder Master hat?

Das kann ich ihnen nicht beantworten. Da fehlt mir die Erfahrung. Ich denke, da kommt es auch wieder auf das Stellenprofil im konkreten Einzelfall an.

Was glauben Sie wohin sich die Branche in den nächsten 10-15 Jahren entwickeln wird?

Ich glaube, dass das Thema Fachkräfte- und Führungskräftemangel auch im sozialen Bereich immer mehr Thema werden wird. Die Frauen, mit denen ich zusammenarbeite, kommen ja aus verschiedenen Bereichen. Und es ist so, dass viele mir sagen, dass sie früher auf eine Ausschreibung  fünfzig Bewerbungen bekommen haben und sich die Besten raussuchen konnten. Inzwischen bekommen sie  drei Bewerbungen und können nicht mehr groß wählen. Das ist jetzt ein bisschen zugespitzt. Das heißt aber wiederum für Menschen, die sich engagieren und motiviert sind, dass sich die Arbeitsmarktsituation in den nächsten Jahren entspannen wird und es einfacher wird, auch gute Jobs zu bekommen.

Warum haben Sie sich für Erziehungswissenschaften entschieden?

Ich habe angefangen, im Magisterstudiengang Rehabilitationspädagogik und Soziologie zu studieren, und habe dann nach dem ersten Semester festgestellt, dass es mir zu spezifisch war, mich z. B. auf den Bereich Reha zu beschränken, und dass mich die Pädagogik einfach in einer größeren Bandbreite interessiert hat. Dabei merkte ich schnell, dass Erwachsenenbildung mein „Steckenpferd“ ist.

Stellen Sie auch Leute fest ein?

In meinem Projekt derzeit nein. Wenn nur auf Honorarbasis. Bei der Diakonie Mitteldeutschland sind aber immer wieder Stellenausschreibungen auf der Homepage zu finden.

Die letzte Frage haben wir schon ein bisschen beantwortet: Wie gut ist ihr Beruf mit ihrem Familienleben vereinbar?

Grundsätzlich habe ich eine hohe Flexibilität, das heißt, ich kann es immer einrichten, aber es ist auch immer eine Herausforderung. Gerade dadurch, dass ich viel zu Seminaren unterwegs bin, heißt das auch immer gleichzeitig, es braucht einen Partner, der das auch  mitmacht und der mitzieht. Wir sind beide sehr flexibel in unserem Job, sodass wir auch immer versuchen können, mal mehr, mal weniger zu arbeiten. Ohne einen Partner, der genauso viel Zeit in die Familie investiert, würde ich diesen Job nicht machen können.

Müssen Sie auch samstags arbeiten?

Also das kommt ganz selten vor. Aber ich bin eben auch mal drei Tage am Stück weg oder komme über Nacht nicht wieder, weil die Seminare nicht in Halle stattfinden.

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