Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

CCHerzbild, dass ausführlich beschrieben wird von mir - ganz ausführlich

Weiteres

Login für Redakteure

Referent Fundraising, Diakonie Mitteldeutschland

Andreas Hesse

Wie sind Sie zu ihrem Beruf gekommen?

Während meines Studiums habe ich zusammen mit Studienkollegen die Freiwilligen-Agentur in Halle mitgegründet und da spielte das Thema Fundraising von Anfang an eine große Rolle, also die Finanzierung zum Beispiel. Über die Jahre hinweg wurde das ein immer größerer Schwerpunkt. Zwischen 2004-2006 war ich Geschäftsführer der Bürgerstiftung in Halle, wo Fundraising ebenfalls eine sehr große Bedeutung hat. Zu dieser Zeit habe ich auch die Ausbildung zum Fundraising-Manager an der Fundraising-Akademie gemacht. Seit 2006 bin ich als Fundraiser bei der Diakonie Mitteldeutschland tätig.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei ihnen aus?

Der typische Arbeitstag beginnt bei mir um 6:30 Uhr. Da sitze ich im Büro. Entweder texte ich was, ungefähr in der Zeit von 6:30 – 8:30 Uhr oder ich rufe E-Mails ab. Vormittags sind dann bestimmte Aktionen zu planen. Zu diesem Zweck muss ich viel telefonieren und Kontakte pflegen. Meistens finden zu der Zeit irgendwelche Sitzungen statt, also man trifft sich mit jemandem oder es ruft jemand an, der eine Beratung braucht. Es gibt auch immer wieder kleinere und größere Katastrophen. Man plant etwas und dann gibt es eine Störgröße, die behoben werden muss. Das gehört mit zu meinem Arbeitsalltag. In der Regel mache ich um 15:30 Uhr erstmal eine Pause. Ich habe zwei Kinder, mit denen ich den Nachmittag verbringe, um mich dann am Abend gegen 19:30 Uhr, wenn die Kinder im Bett liegen, noch mal an den Laptop zu setzen und E-Mails zu beantworten. Ich muss dazu sagen, dass ich drei große Aufgaben habe: erstens berate ich unsere Mitgliedseinrichtungen in Fragen des Fundraisings, zweitens übernehme ich die Spenderbetreuung für unsere großen evangelischen Spendenmarken „Brot für die Welt“ und „Diakonie Katastrophenhilfe“ und drittens organisiere ich landesverbandliche Fundraisingmaßnahmen. Als Spitzenverband verantworten wir Fundraisingaktionen, bei denen die Spenden unseren Mitgliedseinrichtungen zugute kommen. Das sind z. B. die „Aktion Kindern Urlaub schenken“, die Straßensammlung oder „Thüringen hilft“.

Was finden Sie gut an ihrem Beruf und wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Meine Arbeit ist sehr vielfältig. Jede Einrichtung hat andere Stärken und Problemlagen. Dementsprechend gibt es auch unterschiedliche Wege, passende Lösungen zu entwickeln. Spannend ist auch, dass etwas, was bei der einen Einrichtung funktioniert, bei der anderen mitunter nicht oder anders funktioniert und umgekehrt.

Fundraising ist für mich eine Mischung aus Formen praktischer Sozialarbeit und statistischer Arbeit. Es gilt eben auch herauszufinden, welche Aktivitäten und welche Anspracheformen zu welchen Ergebnissen führen. Welche Personengruppen reagieren? Welche nicht? Welche Gründe kann ich für das jeweilige Verhalten annehmen und wie überprüfe ich diese Hypothesen? Hinzu kommt, dass ich hier bei der Diakonie Mitteldeutschland sehr viel Freiheit in dem, was ich tue, habe. Es gibt also auch ein großes Vertrauen in das, was wir im Fundraising tun. Es tut gut, das zu wissen.

Was Veränderungen betrifft, so habe ich oft das Gefühl, dass Fundraising sehr gerne als Lösung für Probleme gesehen wird, für die es keine Lösung sein kann. Fundraising kann kein schlechtes Management ersetzen, im Gegenteil. Ich kann auch nicht mittels Spenden den Abbau des Sozialstaates ausgleichen. Das funktioniert nicht. Dazu reicht schon ein Blick auf die Zahlen. Wir haben in Deutschland jährlich Spenden in Höhe von etwa 5 Milliarden Euro. Nehmen wir Kirchensteuer und Stiftungsmittel dazu, sind es etwa 14-15 Milliarden Euro. Der Vergleich mag hinken, aber wenn wir uns vergegenwärtigen, dass allein der Sozialhaushalt des Bundes ein Budget von rund 120 Milliarden Euro pro Jahr verwaltet, ist leicht vorstellbar, dass die Dimensionen nicht zusammen passen. Spenden ist bürgerschaftliches Engagement. Es ist eine wichtige und auch entscheidende Ergänzung staatlichen Handelns. Es kann und darf aber kein Ersatz dafür sein. Hinzu kommt, dass wir mitunter darauf achten müssen, staatlichen Institutionen nicht die noch Argumentationen zu liefern, um sich aus Verantwortungen zurückzuziehen. Das ist in der Praxis eine äußerst komplizierte Angelegenheit.

Wäre es hinderlich, wenn sich jemand mit einem Abschluss 90/90 hier bewerben würde?

Was ist ein Abschluss 90/90?

Das ist wie früher der Magisterstudiengang. Man studiert zwei Fächer, die gleich stark gewichtet sind.

Tut mir leid, das kann ich nicht einschätzen.

Können Sie etwas dazu sagen, ob es besser wäre noch den Master zu machen?

Das kann ich auch nicht einschätzen. Generell arbeiten hier Menschen mit ganz unterschiedlichen Abschlüssen, Diplom, Master, Bachelor sowie auch die unterschiedlichsten Berufsabschlüsse . Ist das jetzt speziell auf Fundraising bezogen oder auf die Diakonie Mitteldeutschland?

Allgemein auf die Diakonie oder auch auf ihren Job.

Bei der Diakonie würde ich da keine Hindernisse sehen. Ich glaube, da gibt es ganz unterschiedliche Sachen. Bei Fundraising auch nicht unbedingt, aber ich glaube, dass es für die Beurteilung von Fundraising-Maßnahmen ein gewisses Reflexionsvermögen braucht. Also einerseits ein statistisches Verständnis und andererseits eben auch die Gabe, aus den Zahlen und Daten, die einem vorliegen, Schlüsse für die ganz praktische Arbeit zu ziehen. Ich glaube, das ist auch in einem Bachelor-Studiengang schon gut mit drin.

Sie hatten erwähnt, dass Sie zwei Kinder haben. Wie gut ist ihr Familienleben mit ihrem Job vereinbar?

Die Balance zwischen Arbeit und Familie muss man selber finden und auch immer wieder dafür kämpfen. Ich mache es jetzt so, dass ich in der Regel sehr zeitig auf Arbeit bin, um dann am Nachmittag vergleichsweise zeitig Schluss zu machen und die Zeit mit den Kindern zu verbringen. Dafür nehme ich in Kauf, dass ich am Abend den Laptop noch mal aufklappe.

Gibt es Zusatzqualifikationen, die Sie Erziehungswissenschaftlern empfehlen würden?

Das kommt immer darauf an, was man später mal machen möchte.

Und speziell für Fundraising?

Dafür würde ich empfehlen, eine Fundraising-Ausbildung zu absolvieren. Ich glaube, dass das erziehungswissenschaftliche Studium schon sehr viel mitgibt, für diesen Beruf. Vor allem die Gabe komplexe Sachverhalte zu vereinfachen. Für ebenso wichtig halte ich das Verständnis von den Strukturen und den Arbeitsweisen des Sozialsektors. Das ist wichtig für Fundraising. Ich kenne einige Kollegen, die aus dem wirtschaftlswissenschaftlichen  Bereich kommen (z. B. BWL) und die sich diese Prinzipien erst erarbeiten müssen. Was wir vom erziehungswissenschaftlichen Studium vergleichsweise wenig mitbringen ist dahingegen das betriebswirtschaftliche Verständnis. Auch der Aspekt des Marketings und der Psychologie des Marketings ist etwas, dass das erziehungswissenschaftliche Studium nicht mit sich bringt, aber das ist auch nicht die Aufgabe eines erziehungswissenschaftlichen Studiums.

Was glauben Sie, wohin sich die Branche in den nächsten 10-15 Jahren entwickeln wird?

Was Fundraising betrifft, wird es einen Aufschwung geben. Gerade auch in den neuen Bundesländern wird es zunehmend auch mehr Stellen geben. Man muss aber auch bedenken, dass es inzwischen eine ganze Reihe von Ausbildungsinstitutionen gibt, die eine ganze Menge an ausgebildeten Fundraisern auf den Arbeitsmarkt werfen. Generell glaube ich der soziale Sektor wird  in den nächsten Jahren noch mal einen großen Aufschwung finden, vor allem in den neuen Bundesländern. Wir haben zurzeit einen Mangel an Arbeitskräften im pädagogischen Bereich. Wir haben Kindertagesstätten, wo die Leitungen nicht besetzt sind. Wir haben Schulsozialarbeiterstellen, die nicht besetzt sind. In den Leitungen größerer und kleinerer sozialer Einrichtungen zeichnet sich auch ab, dass in den nächsten Jahren jede Menge Fachkräfte gebraucht werden.

Haben Sie noch 1-2 Tipps für Erziehungswissenschaftler?

Ich habe einen Wunsch an Erziehungswissenschaftler. Ich wünsche mir, dass Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten, das mit großem Selbstbewusstsein tun. Ich nehme mitunter in Gesprächen mit Vertretern aus wirtschaftlichen, unternehmerischen Institutionen ein gewisses Gefälle wahr. Ich komme ja „nur“ aus dem Sozialbereich. Das haben wir nicht nötig. Ich glaube sogar, dass gegenwärtige viele innovative gesellschaftliche Gedanken, eher dem sozialen Sektor entspringen. Ich glaube aber auch, dass gerade die Gabe, über den eigenen Tellerrand zu gucken etwas ist, das deutlich häufiger im sozialen Sektor geboren wird. Und das sind Sachen auf die wir als Sozialwissenschaftler auf ein wenig Stolz sein dürfen.

Eine letzte Frage: Stellt die Diakonie demnächst Leute ein?

Immer. Die Diakonie Mitteldeutschland als Landesverband ist der größte Wohlfahrtsverband in den neuen Bundesländern und mit seinen Mitgliedseinrichtungen einer der größten Arbeitgeber hier in der Region. Bei 27.000 Beschäftigten in Sachsen-Anhalt und Thüringen scheiden immer wieder Leute aus und das heißt natürlich immer auch, dass dafür neue Leute eingestellt werden.

Zum Seitenanfang